Der Langblättrige Ehrenpreis ist mittlerweile in ganz Deutschland gefährdet. Als sogenannte Stromtalpflanze findet seine Ausbreitung über das Wasser statt – das ist natürlich nur dort möglich, wo der Fluss nicht verbaut wurde und Raum hat, über die Ufer zu treten. Die Blüten des Langblättrigen Ehrenpreises erfreuen sich bei zahlreichen Insekten großer Beliebtheit und dienen besonders in unserer blütenarmen Kulturlandschaft als wichtige Nahrungsquelle. Angesichts des in der Krefelder Studie nachgewiesenen Rückgangs der Fluginsekten bekommt der Schutz unserer Pflanzenwelt eine noch höhere Bedeutung. Jede Wildblume bietet die Lebensgrundlage für zahlreiche Insekten.
Veronica maritima war bis vor einiger Zeit noch als Veronica longifolia und Pseudolysimachion longifolium bekannt, was im Zusammenhang mit der deutschen Bezeichnung als Langblättriger Blauweiderich steht. Zuweilen wird Veronica maritima auch als Strand-Ehrenpreis bezeichnet, in diesem Fall ist darunter aber kein Meeresstrand, sondern der Strand von Flüssen zu verstehen.
Der Langblättrige Ehrenpreis wächst besonders gerne in feuchten bis wechselnassen, zeitweilig auch überfluteten Staudenfluren und lichten Röhrichten, zum Beispiel an den Rändern von Bächen, Flüssen und Gräben, in lichten Auenwäldern und an deren Rändern.
Am augenscheinlichsten ist natürlich die blau-lila Blüte, die sich zwischen Juni und August in einer endständigen Traube präsentiert. Oft kommen auch noch zwei bis drei kürzere Trauben in den Achseln der obersten Blätter hinzu. Die einzelnen Blüten öffnen sich zeitlich nacheinander von unten nach oben, sodass die noch geschlossenen oberen Blütenknospen der Traube eine grünliche Spitze verleihen. Bei gutem Wetter können zahlreiche Bienen, Hummeln und Schwebfliegen beim Nektar sammeln und Bestäuben der Blüten beobachtet werden.
Veronica maritima ist eine ausdauernde Staude und erreicht je nach Standort eine Höhe von 50-120cm. Der Stängel ist nur im Bereich des Blütenstandes spärlich verzweigt und im oberen Bereich dicht mit meist gekräuselten, abwärts gerichteten, drüsenlosen Haaren bedeckt, die man am besten mit einer Lupe erkennt. Im unteren Bereich ist der Stängel kahl. Die am Rand scharf und spitz gezähnten Blätter haben eine schmal-lanzettliche bis lineale Form und sitzen an kurzen Stielen meist gegenständig am Stängel, selten auch 3-4 quirlständig. Der Blattgrund ist abgerundet oder keilig, selten herzförmig. Die Verbreitung der Samen geschieht durch die sogenannte Stoß- bzw. Schüttelausbreitung, das heißt durch die Berührung eines Tieres oder eine kräftige Windböe werden die Samen aus den Fruchtständen geschüttelt. Als Stromtalpflanze erfolgt die Ausbreitung über weitere Strecken typischerweise durch das Flusswasser.
Veronica maritima ist in mehreren Ländern nach der Roten Liste stark gefährdet. Wie so häufig hängt die Gefährdung einer einzelnen Art mit der Gefährdung des ganzen Lebensraums zusammen. Feuchte Hochstaudenfluren sind in ganz Deutschland durch den Ausbau und die Vertiefung von Fließgewässern gefährdet, da der Uferbereich durch diese Maßnahme in der Regel entwässert wird. Die Lebensgemeinschaft der Hochstaudenfluren ist auch durch Gewässerverschmutzung, Nährstoffeintrag, Eindeichung und Habitatfragmentierung, Düngung und Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft, die Veränderung der Wasserabflussmenge durch den Menschen und die Ausbreitung invasiver nicht einheimischer Arten bedroht.
Naturnahe Flussauen leben von der Dynamik des Flusses, den sie umgeben, und lassen sich grob in drei Räume unterteilen: Unmittelbar an das Flussufer grenzt die häufig überschwemmte Weichholzaue. Sie ist geprägt von kurzlebigen Baumarten, vor allem Weiden und Pappeln, und gesäumt von Röhrichten und bunt blühenden Hochstaudenfluren, in denen auch der Langblättrige Ehrenpreis lebt. Daran schließt sich die Hartholzaue an, die deutlich seltener überschwemmt wird. Ihre charakteristischen Arten sind Stieleichen, Eschen und Ulmen. Hartholzauenwälder gehören zu den wenigen Wäldern in Deutschland, in denen auch Lianen vorkommen, zum Beispiel die Waldrebe (Clematis). Wenn es sich bei der Hartholzaue um einen naturnahen Wald mit vielen alten Bäumen und Totholz handelt, bietet sie neben den Pflanzen auch verschiedensten Vogel- und Insektenarten einen hervorragenden Lebensraum. Charakteristische Vogelarten für die Hartholzaue sind der Mittelspecht und der Halsbandschnäpper.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der naturnahen Flussaue sind die Altwasser. Dabei handelt es sich um ehemalige Flussschleifen, die durch die Verlagerung des Flussbettes nicht mehr zum Hauptstrom zählen. Sie können noch eine Verbindung zum Fluss haben oder aber auch gänzlich von ihm getrennt sein. Da Altwasser nährstoffreich und relativ flach sind, erwärmen sie sich schnell und bieten in den Sommermonaten verschiedensten Wasserpflanzen und Insekten einen Lebensraum. Zusätzlich hat die Landwirtschaft in den Auen noch einen weiteren, artenreichen Lebensraum geschaffen: die Auenwiese. Sie liegt im Überschwemmungsgebiet der Aue und ersetzt den teilweise oder vollständig gerodeten Auenwald. Bei extensiver Pflege beherbergt sie eine große Zahl seltener Arten.
Viele Bewohner der Aue breiten sich übrigens gezielt entlang des Flusses aus. Tieren dient er als Wanderweg durch die Landschaft, und Pflanzen schicken ihre Samen mit dem Wasser auf die Reise. Diese Pflanzen, zu denen auch der Langblättrige Ehrenpreis gehört, werden Stromtalpflanzen genannt und sind durch den großflächigen Verbau der Flüsse in ganz Deutschland gefährdet.
Um den vielen Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum dienen zu können, muss die Flussaue vor allem eine Eigenschaft aufweisen: Sie muss regelmäßig überflutet werden. Das heißt, der Fluss muss Raum haben, um über die Ufer zu treten und darf nicht durch einen Deich von seiner Aue getrennt sein. Flüsse ohne Eindeichung gibt es heutzutage selten, denn zum Schutz der Anwohner sind die meisten von einem Großteil ihres ehemaligen Überschwemmungsgebiets abgeschnitten. Die Überschwemmungsflächen unserer Flüsse betragen heute nur noch etwa 1/3 der ursprünglichen Flächen. An den Strömen Rhein, Elbe, Donau und Oder sind durch Hochwasserschutzmaßnahmen häufig nur noch 10 bis 20 Prozent der ehemaligen Auen für Überflutungen erreichbar.
Der enorme Verlust der Auen bedeutet nicht nur den Schwund eines sehr artenreichen und vielfältigen Lebensraumes, sondern vor allem auch eine erhöhte Gefahr für den Menschen. Natürliche Flussauen nehmen bei Hochwasser beträchtliche Mengen an Wasser auf und verringern und entschleunigen so den Hochwasserscheitel (maximaler Wasserstand eines Hochwassers). Ohne Auen schießt das Wasser mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit durch die zumeist ausgebauten und begradigten Flussbetten.
Die Vergrößerung der naturnahen Auen birgt einen enormen gesellschaftlichen Nutzen: Zum wirkungsvollen Hochwasserschutz kommt noch die Fähigkeit der Aue hinzu, Wasser zu filtern und zu reinigen sowie Treibhausgase zurückzuhalten, wodurch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird. Zusätzlich präsentieren sich naturnahe Auen dem Menschen als eine Idylle, die zu einem Anziehungspunkt für Naturerleben und Naherholung werden kann.