2017 - Der Klatschmohn

2017 - Der Klatschmohn

 

Im Beisein der damaligen Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks wurde am 31.10.2016 der Klatschmohn zur Blume des Jahres 2017 ernannt. Die Loki Schmidt Stiftung wollte damit auf die Gefährdung und den Verlust von Ackerwildpflanzen aufmerksam machen und sich für die Förderung der bunten Vielfalt im Landbau einsetzen.

Sobald seine Farbakzente die Landschaften schmücken, beginnt die warme und helle Jahreszeit. Die zwischen Getreidehalmen schimmernden, strahlend roten Blüten des Klatschmohns scheinen uns ein äußerst vertrauter Sommerbegleiter zu sein. Tatsächlich sind seine zarten Blüten auf Äckern gar nicht mehr so häufig zu sehen. Denn zusammen mit vielen anderen Ackerwildpflanzen verschwindet der Klatschmohn allmählich aus seinem Lebensraum – der flächenmäßig zu den wichtigsten Ökosystemen in Deutschland zählt. In den heutzutage sehr intensiv bewirtschafteten Äckern lebten ursprünglich rund 350 Pflanzenarten. Viele davon können heute als biologisches Erbe unserer Kulturgeschichte angesehen werden, weil sie sich im Laufe der Geschichte an die Landnutzungspraktiken angepasst haben. Durch moderne Technik und Spritzmittel wurden in den letzten Jahrzehnten viele Ackerwildpflanzen an den Rand des Aussterbens gedrängt. „Eine ganze Lebensgemeinschaft, die uns seit tausenden Jahren begleitet, droht zu verschwinden“, so Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki Schmidt Stiftung. Dabei müssen nur 20 Arten als echte Problempflanzen angesehen werden – sie erschweren die Ernte, mischen sich in das Saatgut und enthalten sogar giftige Stoffe.

Name

Den deutschen Namen erhielt die Pflanze wegen des Aneinanderklatschens ihrer Blüten bei Wind und Regen. Häufig wird die Pflanze auch Klatschrose oder Mohnblume genannt. Volkstümliche Namen sind zum Beispiel Grindmagen, Paterblume, Blutblume, Feuermohn. Der wissenschaftliche Gattungsname Papaver geht auf das lateinische Wort „pappare“ zurück, das „essen“ bedeutet. Die alten Römer sollen den Kinderbrei mit Mohnsaft versetzt haben, damit die Kleinen besser einschliefen. Der Artname rhoeas stammt vom griechischen „rhoia“ für „fließen“ und deutet ebenfalls auf den austretenden Michsaft des Klatschmohns hin.

Beschreibung

Klatschmohn gehört in der Ordnung der Hahnenfußartigen (Ranunculales) zur Familie der Mohngewächse (Papaveraceae) und zu der Gattung Mohn (Papaver). Als eine Halbrosettenpflanze ist er in der Regel zweijährig und bildet im ersten Jahr meist nur eine grundständige Blattrosette aus. Im darauffolgenden Jahr erst bildet sich die verlängerte und beblätterte Sprossachse aus, an der sich schließlich auch die Blüte entwickelt. Die Art zählt also zu den einjährig-überwinternden (winterannuellen) Pflanzen. In seltenen Fällen kommen auch einjährige (sommerannuelle) Exemplare des Klatschmohns vor, die von der Keimung des Samens über die Ausbildung der gesamten Pflanze, Bildung der Blüte und Befruchtung, bis hin zur Reife des neuen Samens, nur eine Vegetationsperiode benötigen.

Papaver rhoeas ist ein Therophyt – er kann ungünstige Jahreszeiten, wie den Winter, auch als Samen im Boden überleben. Aufgrund des sehr niedrigen Wassergehaltes sind die Samen äußerst kälteresistent. Der Klatschmohn kann eine Wuchshöhe zwischen 30 und 90 cm erreichen und bildet bis 1 m tiefe Wurzeln aus. Sein dünner Stängel ist wenig verzweigt und abstehend behaart. Das unterscheidet den Klatschmohn mitunter von anderen Mohnarten. Die ungefähr 15 cm langen, gestielten Blätter der Art sind rau, borstig behaart und lanzettlich, einfach bis doppelt fiedrig mit grob eingeschnittenen bis scharf gesägten Blattabschnitten. Sie wachsen wechselständig am Stängel.

Zwischen Mai bis Juli stehen einzelne, blutrote Blüten endständig auf dem Stängel. Die zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch, vierzählig mit einer doppelten Blütenhülle und können einen Durchmesser von 5 bis 10 cm annehmen. Unter den Kronblättern (Blütenblätter) befinden sich zwei Kelchblätter, die beim Öffnen der Blütenknospe abfallen. Die dünnen Kronblätter sind in der Knospe unregelmäßig gefaltet und wirken deshalb „zerknittert“. Meistens sind die vier Blütenblätter rot gefärbt. Seltener kommen weiß und violett vor. Im unteren Bereich besitzen fast alle einen schwarzen, oft weiß umrandeten Fleck, der zur Anlockung von Bestäubern dient. Im Zentrum der Blüte befinden sich etwa 164 Staubblätter und meist 10 Narbenstrahlen auf der kurzen, kegeligen Narbenscheibe.

Die Samen des Klatschmohns sind zu tausenden in der typischen Kapselfrucht enthalten, die oft doppelt so lang wie breit ist. Die Kapselfrucht ist durch zahlreiche Wucherungen der Samenleisten in unvollständig gefächerte Porenkapseln unterteilt. Die schwarzen Mohnsamen sind bei einem Durchmesser von bis zu 1 mm sehr klein. Papaver rhoeas bildet in Milchsaftröhren Milchsaft aus. Dieser dient wahrscheinlich aufgrund des bitteren Geschmacks als Schutz gegen Tierfraß. Außerdem wird aufgrund seiner antibiotischen Wirkung vermutet, dass der Milchsaft die Pflanze vor Infektionen schützt und durch sein schnelles äußerliches Eintrocknen einen raschen Wundverschluss bildet.

Ökologie

Die nektar- und duftlosen Blüten des Klatschmohns blühen nur zwei bis drei Tage. Pro Blüte werden etwa 2,5 Millionen grünschwarze Pollenkörner produziert. Allein von der Pfingstrose wird diese ungewöhnlich hohe Anzahl übertroffen. Die Pollendarbietung unterliegt einer Tagesrhythmik. Morgens bis 10 Uhr finden sammelnde Insekten am meisten Pollen vor. Die streifenförmigen Narben liegen einer Scheibe des Fruchtknotens auf, die als Anflugplatz für verschiedene bestäubende Insekten, vor allem Bienenarten, dient. Auch Windbestäubung ist möglich. Die Blüten sind außerdem selbststeril – die Pflanze kann sich also nicht selbst bestäuben.

Die rot gefärbten Kronblätter werden von den rotblinden, dafür aber UV-Licht wahrnehmenden Bienen wegen ihrer starken UV-Reflexion wahrscheinlich blauviolett gesehen. Den Klatschmohn nehmen die Bienen also als einen dunklen Fleck wahr ? ganz anders als das Menschenauge. Die Reflexion des ultravioletten Lichts zeigt ihnen dabei jedoch den richtigen Landeplatz und die Pollenquelle an – nämlich die schwarzen Flecken im Zentrum der Blüte. Nach erfolgreicher Bestäubung bilden sich von Juli bis August in der Kapselfrucht die kleinen, leichten Samenkörner. Bei trockenem Wetter werden sie durch Poren im Deckel der Kapsel durch Wind ausgestreut. Die Flugweite beträgt dabei bis 4 m und ist bei starkem Wind auch noch länger.

Die Samen sind licht- und kältekeimend und enthalten ein für die Windausbreitung typisches ölreiches Nährgewebe. Es dient als erster Nährstoff für den Samen und unterstützt die Flugfähigkeit. Viele Samen enthalten nämlich Kohlenhydrate als Erstnahrung. Die sind aber bei gleichem Gewicht nur halb so energiereich wie Fette und würden durch ihr Gewicht den Flug bremsen.

Ökologische Funktion: Wie viele andere Segetalpflanzen bietet der Klatschmohn zahlreichen Insekten eine ergiebige Pollenquelle und fördert somit die Bestäubervielfalt im Acker. Auch für die Landwirtschaft ist eine Verarmung der Ackerlebensgemeinschaft problematisch. Denn vom Verlust von Ackerwildpflanzen und dem Artenrückgang im und am Acker sind viele Insekten und Spinnen betroffen, die diese Wildpflanzen als Nahrungspflanzen und als Refugien nutzen. Viele dieser Tierarten halten landwirtschaftlich bedeutende Schädlinge wie Blattläuse in Schach.

Verbreitung

Vermutlich ist Papaver rhoeas ursprünglich in Eurasien und Nordafrika verbreitet. Gemeinsam mit dem Getreide ist er während der Jungsteinzeit zu uns in den Norden gekommen, also zwischen 4.500 und 3.000 v.Chr. Mit dem Ackerbau verbreitete sich der Klatschmohn weltweit, bevorzugte dabei jedoch die nördliche gemäßigte Zone. Aufgrund seiner Ausbreitungsstrategie gehört der Klatschmohn zu den so genannten Hemerochoren, also durch die Kultur ausgebreiteten Pflanzen. Typischer Ausbreitungsweg für den Klatschmohn ist (oder war) die Aussaat von Saatgut, in dem Klatschmohnsamen als Verunreinigung mit enthalten sind.

Standort

Als Lichtkeimer ist das meist winterannuelle Mohngewächs auf offene Flächen angewiesen. Einst boten ihm Getreideäcker diesen perfekten Lebensraum. Seitdem die Art dort mithilfe von moderner Saatgutreinigung und Herbiziden nahezu verdrängt wurde, findet man ihn heutzutage vermehrt auf Schuttplätzen, Brachen und an Straßenböschungen. Klatschmohn bevorzugt sommerwarmen, kalkhaltigen Lehmboden. Er ist ein Zeiger für helle, frische und mäßig stickstoffreiche bis stickstoffreiche Standorte. Der Klatschmohn ist eine Klassencharakterart der Getreide-Beikrautfluren (Secalietalia).

Verwendung als Heilpflanze

Klatschmohnblüten werden vor allem als Schmuckdroge in Teemischungen verwendet. Volksmedizinisch werden die Blüten bei Atemwegserkrankungen und -beschwerden, wie Husten und Heiserkeit genutzt. Außerdem können Teezubereitungen aus Klatschmohnblüten bei Schmerzen und Schlaflosigkeit sowie als Beruhigungsmittel eingesetzt werden. Äußerlich kann ein Aufguss des Klatschmohns als Umschlag oder Waschung gegen Hautprobleme und Furunkel angewendet werden. Die Wirksamkeit der Blüten wurde bisher noch nicht wissenschaftlich belegt.

Verwendung als Färbemittel

Die intensiv rote Blütenfarbe des Klatschmohns diente früher zur Herstellung roter Tinte sowie zum Färben von Stoffen. In nordafrikanischen Ländern wird heute noch traditionell Schminke aus den Blüten hergestellt.

Gartenpflanze

Papaver rhoeas ist eine äußerst unkomplizierte und relativ anspruchslose Gartenpflanze. Sie bevorzugt sonnige bis halbschattige Stellen. Während der Wachstumsphase sollte sie ausreichend gegossen werden. Nach der Blüte sollten die Pflanzen für die Selbstaussaat, die sehr erfolgversprechend ist, stehengelassen werden. Zur kontrollierten Vermehrung eignen sich die reifen Samen aus den Kapseln. Sobald die Kapseln trocken und braun sind, können sie der Pflanze entnommen werden. Dann werden sie entweder von April bis Mai oder Ende August bis Anfang September
an Ort und Stelle ausgesät und regelmäßig gegossen. Bei der Loki Schmidt Stiftung können auch Samen des Klatschmohns bestellt werden. Diese können dann im vorab genannten Zeitraum auf offenem Boden an sonnigen bis halbschattigen Stellen im Garten oder in Balkonkästen ausgestreut werden. Wichtig ist, dass die Samen nicht zusätzlich mit Erde bedeckt werden.

Kulturelle Bedeutung

Die wichtigste kulturelle Bedeutung hat der Klatschmohn wahrscheinlich bereits im Mai 1915 erhalten – zur Zeit des ersten Weltkrieges. Der kanadische Arzt Jon McCrae schrieb damals ein mittlerweile in der englischen Literatur berühmtes Gedicht „Flanders Fields“. Es handelt vom tausendfachen Aufwachsen des Klatschmohns inmitten von zerbombten Schützengräben und Schlachtfeldern in Flandern, der Flämischen Region Belgiens. Die zarten Blüten füllten das Chaos und die Zerstörung schnell mit neuem Leben. Deshalb gelten sie bis heute am „Remembrance Day“ (11. November) in England, Kanada und Australien als Symbol für das Gedenken an die gefallenen und verletzten Soldaten des Krieges. Jedes Jahr werden am Gedenktag Anstecknadeln des Klatschmohns verteilt und getragen sowie Plastikblumen an Gedenksteinen und -tafeln ausgelegt.

In zahlreichen Liedern sind die schnell welken, roten Blüten des Mohns Symbol für verlorene Liebe und Leidenschaft – so zum Beispiel in „Roter Mohn“ von Rosita Serrano (1938) oder in der Interpretation von Marianne Rosenberg.

Gefährdung

Papaver rhoeas wird in Deutschland nicht in den Roten Listen der Farn- und Blütenpflanzen geführt und gilt somit als ungefährdet. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Art in ihrem Lebensraum Acker einen starken Rückgang erlitten hat und überwiegend auf Ausweichflächen überlebt.

Die Wildpflanzen unserer Äcker bereichern unsere Kulturlandschaft nicht nur ästhetisch. Durch den Rückgang der Vielfalt im Ackerland sind vor allem auch Bestäuber wie beispielsweise Schmetterlinge und Bienen sehr stark bedroht. Andere Insekten und Spinnen, die diese Wildpflanzen als Nahrungspflanzen und als Refugien nutzen, sind ebenfalls betroffen. Viele dieser Tierarten halten landwirtschaftlich bedeutende Schädlinge wie Blattläuse in Schach. Die Verarmung der Ackerlebensgemeinschaft ist also auch für die Landwirtschaft ein zunehmendes Problem. Der beliebte Klatschmohn steht in diesem Jahr für viele andere bedrohte Ackerwildpflanzen und damit stellvertretend für den Verlust der bunten Vielfalt im Landbau.

Während hoch spezialisierte Ackerwildkräuter wie zum Beispiel die Kornrade (Blume des Jahres 2003) aktuell fast ausgestorben sind, ist der bundesweit noch ungefährdete Klatschmohn ein Überlebenskünstler. Denn er stellt nur wenige Ansprüche an seine Umgebung. Wohl fühlt er sich an hellen, frischen und eher stickstoffreichen Standorten. Diese boten ihm einst unsere Getreideäcker. Doch obwohl der Klatschmohn dort einen starken Rückgang erlitten hat, überlebt er mittlerweile überwiegend auf Ausweichflächen wie zum Beispiel Brachen und Schuttplätzen. Auch in Gärten ist er häufig zu finden.

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