"Vielleicht bin ich das typische Großstadthinterhofkind, das uneingestandene Sehnsucht nach Grün und Pflanzen gehabt hat. Und danach, dass es endlich wieder anfängt zu wachsen draußen. Man kann alles so wunderschön mit erleben , weil es noch so langsam vorangeht mit dem Vorfrühling: Man kann zugucken bei allem."
Loki Schmidt
Im Hamburger Arbeiterstadtteil Hammerbrook am 3. März 1919 geboren, wuchs Hannelore Schmidt (geb. Glaser) in bescheidenen Verhältnissen auf. Als kleines Kind gab sie sich selbst den Spitznamen „Loki“. Sie besuchte reformorientierte Schulen und begegnete dort ihrem späteren Ehemann Helmut Schmidt, mit dem sie in dieselbe Klasse ging. Schon als Kind interessierte sich Loki Schmidt für Pflanzen und besuchte als Schülerin zum Beispiel immer wieder den botanischen Garten Hamburgs. Ausflüge ins Hamburger Umland förderten ebenfalls ihr Interesse an der Natur und besonders an Pflanzen. Ihr Wunsch, Biologie zu studieren, scheiterte an den Studiengebühren, worauf sie Pädagogik für das Lehramt für Volksschulen studierte. Bis 1970 arbeitete sie als Volks-, Grund- und Realschullehrerin. In dieser Zeit ernährte sie zeitweilig die Familie, brachte zwei Kinder zur Welt (von denen eines noch im ersten Lebensjahr starb) und leistete „Familienarbeit“, wie man heute sagen würde.
Aber ihre eigentliche Lebensaufgabe, mit der sie bundesweit bekannt werden und bleibende Spuren hinterlassen sollte, lag noch vor ihr.
Zwischen 1974 und 1982 nahm Loki Schmidt protokollarische Aufgaben als Ehefrau des Bundeskanzlers wahr und engagierte sich zunehmend für den Pflanzen- und Naturschutz. Nach dem Ende der Kanzlerschaft verstärkte sie ihren Einsatz für gefährdete Pflanzen noch und ließ sich in die Deputation der damaligen Behörde für Bezirksangelegenheiten, Naturschutz und Umweltgestaltung in Hamburg wählen. Über Jahre begleitete sie auf eigene Kosten Forschungsreisen von Wissenschaftlern, unter anderem nach Kenia, auf die Galapagos-Inseln, nach Ecuador, Malaysia, Nordborneo oder Brasilien.
Bereits 1976 hatte Loki Schmidt das Kuratorium zum Schutze gefährdeter Pflanzen gegründet, das 1979 in eine Stiftung überführt wurde. Diese Stiftung fusionierte mit der 1985 gegründeten Stiftung Naturschutz Hamburg zur Stiftung Naturschutz Hamburg und Stiftung Loki Schmidt zum Schutze gefährdeter Pflanzen (heute kurz als Loki Schmidt Stiftung bezeichnet).
Die Loki Schmidt Stiftung kauft, gestaltet und pflegt auch heute noch Grundstücke für den Naturschutz, damit selten gewordene Pflanzen und Tiere dort überleben können. Zahlreiche Projekte zum Schutz der Natur und viele Umweltbildungsaktivitäten haben die Stiftung bekannt gemacht. Flächen in zehn verschiedenen Bundesländern befinden sich im Eigentum der Stiftung, in Hamburg und Norddeutschland liegt ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit. In den von ihr betriebenen Naturschutzzentren und auf ihren Flächen führt die Stiftung jährlich über 1.000 Veranstaltungen durch. Die Arbeit der Stiftung ist bis heute zum größten Teil aus Spenden finanziert.
Bundesweite Aufmerksamkeit erreicht sie jährlich mit der Bekanntgabe der Blume des Jahres, die stets für einen gefährdeten Lebensraum und damit für eine ganze Lebensgemeinschaft von besonderen Arten steht. Die Naturschutzaktivitäten Loki Schmidts waren jedoch nicht auf diese Stiftung beschränkt. Seit den 1970er Jahren setzte sie sich für den Botanischen Garten in Hamburg und dessen Beitrag zur Erforschung und Erhaltung biologischer Vielfalt ein. Im Rahmen ihres Engagements für Botanische Gärten initiierte sie 1986 den internationalen Gärtneraustausch, der in eine eigene Stiftung überführt wurde und der einen Austausch zwischen Gärtnerinnen und Gärtnern Botanischer Gärten in aller Welt ermöglicht. Für ihr 1997 veröffentlichtes Buch „Die Botanischen Gärten in Deutschland“ mit der ersten vollständigen Übersicht der Botanischen Gärten Deutschlands und ihren Sammlungen, recherchierte sie zwei Jahre lang.
Heute tragen viele Einrichtungen Loki Schmidts Namen und arbeiten in ihrem Sinne weiter, darunter ein Garten, ein Gewächshaus, ein Museum, eine Genbank und die Loki Schmidt Stiftung. Gemeinsame Themen dieser Institutionen sind die Biodiversität von Pflanzen und der Artenschutz. In welchem Maße Loki Schmidt auf diesen Gebieten Pionierarbeit geleistet hat wird deutlich, wenn man bedenkt, dass der Begriff Artenschutz im Jahre 1976 gerade eben aufkam und der Begriff Biodiversität erst 1986, also 10 Jahre später geprägt wurde.
In ihrer Heimatstadt Hamburg setzte sie sich viele Jahre vergeblich für die Wiedererrichtung des im zweiten Weltkrieg zerstörten Naturkundemuseums ein (des zweitgrößten in Deutschland), eine Initiative, die damals scheiterte, aber in jüngerer Zeit wieder aufgegriffen wurde. Ein Resultat ihrer Bemühungen war das Loki Schmidt Haus im Botanischen Garten Hamburgs, in dem ein Museum für Nutzpflanzen eingerichtet wurde.
Es bleibt festzuhalten, dass Loki Schmidt einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, den Naturschutz und insbesondere den Schutz unserer Pflanzenwelt zu einem populären gesellschaftlichen Anliegen zu machen. Dank Loki war der Naturschutz nicht mehr nur ein Hobby mitunter etwas versponnener älterer Männer. Sie gab ihm ein frisches, weibliches Gesicht und verstand es, Menschen zu begeistern und zusammenzuführen. Der Rückgang der Arten und der Schutz unserer Landschaften wurden auch dank ihres Engagements zu wichtigen Themen. Neue Naturschutzorganisationen wurden gegründet, umfassende Naturschutzgesetze und -verordungen verabschiedet, Ministerien, Umweltverwaltungen und Fachbehörden entstanden. Loki Schmidt hat auf ihre Art dazu beigetragen: Engagiert, anmutig, klug und ausdauernd arbeitete sie über Jahrzehnte erfolgreich daran, ihr Lebensthema in die Mitte der Gesellschaft zu führen.
Am 21. Oktober 2010 verstarb sie in Hamburg nach kurzer Krankheit.