Jedes Jahr erreichen uns Gedichte zu Ehren der Blume des Jahres. Natürlich möchten wir Ihnen diese Kunstwerke nicht vorenthalten und wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen. Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die ihre Gedichte mit uns geteilt haben!
Grasnelke
Aus ihren geballt klugen Köpfchen
spitzt, ja spritzt es rosa hervor im
Salzwatt und am Wegesrand, am Strand
in Steingärten und Heidebeeten. Jeder
Kugelknopf ein Wundertopf mit Nektar
für Insekten auf Sommerbesuch von Mai
bis Herbst. Leert sich der eine, füllt sich
der nächste im Puschelpompon, lauter
Blütenbonbons über grasfeinen, immergrünen
Blätterrosetten am Boden, aus denen viele
bloße Stiele dicht an dicht gewappnet vorm
Abrupf frecher Fäuste ihre Blütenschöpfe
hoch hinaus zur Sonne heben, stets
auf der Suche nach ihr.
Frederike Frei
Sie hat sich in lippenblütenkelche üppig lilablau
gekleidet und trägt nun diesen krautpelz ab als
laternenlicht von bunt zu braun warmfarben
erdnah die kleine braunelle, die ihre
blätterhände und blütenzungen ausstreckt nach
uns, sie umarmen den stiel, der aufrecht steht
von der krume bis zum kompost, er macht sich
nicht krumm mit seinen hohlen händen, die uns
nichts nehmen, nur geben, ein geblüt für wiese
und welt.
frederike frei
Die Blume nehm ich mit nach Haus,
sie tanzt ja wie die Primadonna!
Doch ihr Geheimnis trägt sie sicher
In der Krone, man spürt ja einen
Blütenhauch!
Danke für die Ehre,
verehrte Einbeere!
Hans Ruben
Als Perle in dunkelazur
residiert Prinzessin Erbse
in der Natur.
Blätterhände schützen
die Einbeere im grünen
Zenit des Waldes
gegen uns. Nichts nützt
ihr das eigene Gift. Sie
wird zur Ausbeere,
Aussterbebeere in saftlosen
Wäldern durch Güsse von
Hitze, von Licht.
frederike frei
Im alten Wald grünt
Ein Teppich aus Blattkreuzen
Die Einbeere blüht
Grüße aus Hellas
Bringt die stahlblaue Beere
Verführendes Gift
Kleine Tollkirschen
Vergiften nicht nur Hühner,
Auch Menschenkinder
Die Teufelsbeere!
Ein Hauch von Pest und Schwefel -
Kommt Gift, wird Heilkraut
Doch mit Bienenwachs
Die Wunden heilen lassen
Chrüzli-Chunt-Tinktur
Monika Lessmann
Die Wiese kommt mir spanisch vor:
Ausrufezeichen stehen kopf. Weg!
geknipst von unsern Daumennägeln
die dunklen Fruchtbonsches auf den
starr stehengebliebenen Stengeln.
Zeile für Zeile Prickelköpfe,
Blättchenschöpfe rotbraunlila,
geballte Wonne in der Sonne.
Verweilet doch, ihr seid so schön zu
begreifen. Das Erdkostüm gibt es heute
nur noch hochgeschlossen vom obersten
Wiesenknopf;
frederike frei
Man ehrt den großen Wiesenknopf
Mit seinem krausen Purpurschopf
Als gäb es nur den einen.
Ein andrer hat ein bitt‘res Los,
Die Welt ehrt nur was rot und groß
Ist - keiner sieht den Kleinen
Reinhard Mey
Wunderschöner Großer Wiesenknopf
Du leuchtend blutroter Blütenkopf
Der Schmetterling kanns kaum erwarten
Denn bald blühst du in meinem Garten
An sonnig halbschattiger Stelle
Des Bienenvölkchens Nahrungsquelle
Hella Mey
Der Mond scheint in Dein Zimmer rein und fragt:
He, Köpfchen, bist du ganz allein?
Ich kann die roten Spitzen nicht vergessen,
seitdem wir in dem Wiesenbett so eng und fest gesessen!
Wie zauberhaft wirkt bei Dir die Frisur,
vor allem mit dem großen Knopf!!
Du kannst Dich darauf verlassen,
er geht mir lange nicht mehr aus dem Kopf!
Hans Ruben